Ahland, Pompele und Bogges

Zwei Ahlande am Rottenburger Marktplatz

Auch dieses Jahr findet sie wieder ausgelassen und bunt wie eh und je statt, die Rottenburger Fasnet. Ahland, Pompele und Bogges, umrahmt von Gräfin Mechthid und ihrem Hofstaat, verwandeln die Kleinstadt am Neckar während der fünften Jahreszeit wieder in eine Freiluftbühne. Statt helau und alaaf heißt es hier: Narri, Narro. Und die fünfte Jahreszeit heißt hier auch nicht Karneval oder Fasching, sondern Fasnet. Doch woher kommen eigentlich die Figuren der Rottenburger Fasnet?

Die fastnächtliche Tradition reicht in Rottenburg bis zurück in den Anfang des 15. Jahrhunderts, sogar noch vor der Zeit, als Gräfin Mechthild und ihr Musenhof in der Stadt weilten.

Rottenburg dürfte wohl die einzige Narrenstadt sein, die während ihrer tollen Fasnetstage von einer Frau regiert wird. In ihr feiert die Gräfin Mechthild (Mechthild von der Pfalz), die einstige Regentin Österreichs im Rottenburger Land (1454–1483), für kurze Zeit Wiederkehr. Die Adelige aus Österreich hielt dazumal in Rottenburg „große Höf und köstliche Vasnachten“, wie es in der Zimmerschen Chronik vom Ende des 16. Jahrhunderts heißt, „dabei einstmals ein groß Rennen und Stechen auf dem Markt“

Heutzutage verkündet die Gräfin Mechthild am „Schmotzigen Dausteg“, verkörpert durch eine Rottenburger Bürgerin, vom Balkon des Rottenburger Rathauses ihren Untertanen, dass die Fasnet eröffnet sei. Dem Hofnarr „Halberdrein“ übergibt sie die Schlüssel der Stadt als Symbol. Von da an regiert in Rottenburg die Narretei bis Aschermittwoch.

Gräfin Mechthild, die Regentin der Rottenburger Fasnet im Gespräch mit Ahlanden

Der Ahland, eine Teufelsgestalt, ist in Rottenburg die Hauptfigur der Fasnet: ein klassischer Weissnarr mit kunstvoll gearbeiteter Lindenholzmaske, Lammfellhaube und bis zu sechs Glockensträngen. Der Ahlandtanz ist ein imposanter Schautanz, der in der schwäbisch-alemannischen Fasnet einmalig ist.

Über die Herkunft des Wortes wird nach wie vor spekuliert. Ursprünglich war es in Rottenburg eine „vermummte Person an der Fastnacht, namentlich ein maskiertes Kind“, „Aland gehen“ stand für „vermummt gehen“. Dann gibt es die Erklärung, dass der Fisch Aland an Aschermittwoch eine besondere Delikatesse war. Eine andere Möglichkeit wäre, dass sich die Rottenburger in alantleder (‚mit Alaun gegerbtes Leder‘) hüllten und der Name des Stoffes auf die den Stoff tragenden Personen überging. Oder vielleicht dies: Die Heilpflanze Echter Alant galt im Volksglauben als dämonenabwehrende Pflanze; als Amulett um den Hals getragen sollte sie vor Behexen schützen.

Bogges mit Rottenburger Stadthexe (rechts) und Hofdame Mechthilds (links) Foto: Erwin Wörner

Sie sind weder „Weiß-Clowns“ noch „Circus-Clowns“. Die Laufnarren der Zunft suchen und finden ihre Tradition in der Figur von Gräfin Mechthilds frivolem Ofenheizer Halberdrein. Dieser Hofnarr unterhielt nicht nur den Hof, sondern auch die Bürgerinnen und Bürger auf dem Marktplatz. In Rottenburg sind diese Narren auch unter dem Namen „Bogges“ bekannt. Sie tragen karierte Westen, haben rote oder orangefarbene Perücken und sind in Rottenburg überall präsent.

Vom neckischen Bogges zum gruselig-zotteligen Pompele. Als Vorlage für seine aus Lindenholz geschnitzte Holzmaske diente eine Renaissance-Steinmaske, die bei Bauarbeiten gefunden wurde.

Verschaufpause fürs Pompele

Das „Pompele“ unterscheidet sich vom Ahland durch die Grundfarbe im Häs und durch ausgeprägtere Gesichtszüge, feine Verzierungen und vor allem durch die Widderhörner an der Maske. Als Larvenhaube tragen die „Pompele“ ein schwarzes Lammfell, Kittel und Hose bestehen aus braunem, fellartigen Stoff. Neben seinen schellenden Bronzeglocken am Häs trägt das Pompele in der Hand den „Klöpfer“, einen geschlossenen Resonanzkasten mit innenliegendem Pleuel und grünem Handgriff.

Neben Ahland, Pompele, Bogges und Gräfin Mechthild mit ihrem Hofstaat gibt es natürlich noch viele andere Fasnetspersönlickeiten, und über jede und jeden gäbe es eine Geschichte zu erzählen….

Nonschtopp onderwägs und agtiv: Reporterin Edda Neugierbesserwisser interviewt einen schottischen Highländer
Eine der Fragen: „Was haltet se von einer spaßbefreiten Fasnet mit Maskenzwang?“

Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Narrenzunft_Rottenburg

Krokuszeit in Zavelstein

Krokusblüte in Zavelstein

Zavelstein, die kleinste Stadt Deutschlands, ist wegen ihrer blau blühenden wilden Krokusblüte weithin bekannt. Jetzt im März flanieren in dem kleinen Luftkurort scharenweise Touristen aus nah und fern. Auf dem knapp 4 Kilometer langen Krokusweg genießen sie die ersten Frühlingsstrahlen auf der idyllischen Hochfläche oberhalb Bad Teinachs. Das Krokusblütenmeer auf den Wiesen wird sogar alljährlich in einem wissenschaftlichen Projekt untersucht. Der Zavelsteiner Stadtrat Dr. Karl-Eugen Schroth schätzt in seinem Bericht zur Erhaltung und Förderung des Frühlings-Krokus die Krokusblüten im Naturschutzgebiet 2019 auf 1,57 Millionen Blüten.

Krokusse im Garten eines Imkers

Wie die Krokusse auf die Wiesen des Städtchens kamen, darüber ranken sich einige Legenden. Wahrscheinlich war es der weitgereiste herzogliche Diplomat Benjamin Buwinghausen von Wallmerode, der Samen der Sorte crocus neglectus aus Italien mitgebracht hat.  Der Hof- und Kriegsrat des Herzogs Friedrich I. von Württemberg war ein geschätzter Staatsmann und vor allem in diplomatischer Mission in Frankreich unterwegs. Er bekam die Burg Zavelstein (ursprünglich eine Stauferburg) im Jahr 1616 als Lehen für seine Verdienste.

Burgruine Zavelstein im Schwarzwald

Wahrscheinlich ließ er die Krokuspflanzen zunächst im Schlossgarten anpflanzen, von wo aus sie sich in die Bauerngärten und Wiesen ausbreiteten.

Fotos Krokusblüte: Erwin Wörner

Blick von der Burgruine Zavelstein über den Burggraben auf die Stadt
Krokusgarten in Zavelstein mit Bienenzucht

Zauberhafte Rauhnächte

Schloss Lichtenstein
Das württembergische Märchenschloss Lichtenstein bei Reutlingen

Seit alters her gelten die Tage zwischen Weihnachten und den Heiligen drei Königen als eine besondere Zeit. Eine Zeit wie herausgefallen aus dem Alltäglichen, mystisch und geheimnisvoll, eine Schwellenzeit. Die zwölf heiligen Tage zwischen den Jahren werden auch die Rauhnächte genannt. Eine Zeit der Einkehr und der Stille, aber auch eine Vorbereitung auf das neue Jahr.

Die Menschen meinten früher, dass Geister, die Perchten, draußen ihr Unwesen trieben. Deshalb saßen sie hinterm warmen Ofen, ruhten sich von den Mühen des vergangenen Jahres aus und lauschten den Märchen und Geschichten der Alten. Gott Wotan soll mit seiner Wilden Jagd unterwegs gewesen sein, über die Felder gefegt und so auch wieder fruchtbaren Boden für das neue Jahr bereitet haben. Vorsichtshalber wurden nach Einbruch der Dunkelheit geweihte Kerzen aufgestellt, um die Wildgewordenen von den Gehöften fernzuhalten. Nach Einbruch der Dunkelheit sollte man möglichst nicht mehr aus dem Haus gehen.

In manchen Regionen werden jedoch heute noch die Maskierten, die diese Geister vertreiben, Perchten genannt. So ist es im Alpenraum Brauch, dass am 6. Januar zum Ende der Rauhnächte junge Männer unter gruselig aussehende Larven (Masken) und zottelige Fellkleidung schlüpfen und durch die Dörfer toben.

Auch die Frau Holle aus dem Märchen hat mit den Rauhnächten zu tun und ist eine wahrlich schillernde Gestalt, die Gutes und Böses in sich vereint. Frau Holle wird in der Sagenwelt des Alpenraums auch als Perchta bezeichnet. Sie bestraft Faulheit und Verstöße gegen das Festspeisegebot. Die Bestrafung kann von einfachen Albträumen bis hin zum Aufschlitzen des Bauches reichen.  Auch kann Perchtas Atem töten oder blenden.

Umgekehrt belohnt sie Fleiß und Hilfsbereitschaft. Neben vollen Spulen, goldenen Fäden und Flachsbündeln für Spinnerinnen verschenkt sie auch Münzen, die Mägde in Eimern (vorwiegend am Brunnen) finden. Sie soll aber auch für das Wachstum des Getreides zuständig sein. Brunnen oder Teiche sind auch die Orte, an denen Perchta die noch nicht geborenen Seelen hütet. In diesem Sinne gilt sie auch als Führerin der Schar der ungeborenen und der ungetauft verstorbenen Kinder.

Perchta tritt vor allem in den Rauhnächten auf. Ihr Tag ist vornehmlich der 6. Januar, der Dreikönigstag. Perchta soll in dieser Zeit durch die Lüfte fahren: Ihre Alias Frau Holle schüttelt die Betten…..

Julmond, der Vollmond im Dezember

Auch der letzte Vollmond im Dezember, Julmond genannt, verfügt über besondere Kräfte. Er soll die Menschen in den Rauhnächten auf sich selbst und das neue Jahr einstimmen. Altes und Unangenehmes wird losgelassen, das Neue, Bessere ist noch nicht greifbar, aber im Keim schon vorhanden. Der Julmond wurde deshalb auch Heilmond genannt.

Eine Märchenzeit, eine Art Mondzeit, eine Tor zur Anderswelt sind die Rauhnächte. Besonders auf die Träume soll man in den zwölf Nächten achten. Jede Nacht steht dabei für einen Monat des neuen Jahres. Alternativ können zwölf Wünsche für das neue Jahr auf Zettel geschrieben werden. Dann werden sie verbrannt, als Zeichen des Loslassens. Wahrsagen in den Rauhnächten gab es in vielen Kulturen, als Relikt davon haben wir das Bleigießen in der Silvesternacht.

Wahrsagen in den Rauhnächten, russische Illustration, 1885

In den Rauhnächten ruhte früher jede Arbeit. Es ist eine Zeit des Lauschens, in der die Verbindung zur eigenen Seele und zur Natur in den Vordergrund rückt. Ein alter Volksglaube sagt auch, dass in den heiligen Nächten die Tiere sprechen. Lauschen wir, was der Schneevogel zu sagen hat. Vielleicht singt er auf weiter Flur ein neues Lied, um die Perchten zu vertreiben?

Schneevogel auf der Schwäbischen Alb

Fotos: Erwin Wörner

Quellen:
Internet: http://www.wikipedia.org
Buch: Vom Zauber der Rauhnächte, Vera Griesbert-Schröder und Franziska Muti, Irisiana Verlag
TV: Über Perchtenbräuche: „Rauhnächte – wilde Jagd und stille Zeit“ – Doku-Fiktion auf 3sat.de

Wie die Wintersonnwende zu Weihnachten wurde

Herrenberg im Advent 2020
Herrenberger Marktplatz

In der Advents- und Weihnachtszeit erstrahlen die Innenstädte, Gärten und Häuserfassaden in einem besonderen Lichterglanz, der auch die Seele erhellen soll. So wie die Tage immer kürzer werden, steigt auch die Freude auf die Weihnachtskerzen unterm Tannenbaum mit leuchtenden Kinderaugen. Klingt kitschig, ist aber eine schöne Tradition. Gerade in diesen harten Zeiten, scheint es, glitzern und leuchten die lichtvollen Installationen in den Städten noch mehr, um der Dunkelheit zu trotzen.

Nun, warum feiern wir eigentlich Weihnachten am 24.Dezember, um die Wintersonnwende herum? Es ist nicht belegt, dass Jesus an diesem Tag im Winter geboren ist. Belegt aber ist, dass das Datum der Wintersonnwende (am 21.oder 22.Dezember) nicht nur in heidnischen Kulten eine Rolle gespielt hat. Nach der längsten Nacht werden die Tage wieder länger und heller. Auch die polytheistischen Römer haben diese Wende im Jahreszeitenzyklus gefeiert: sie huldigten damit dem sol invictus, dem unbesiegbaren Sonnengott.

Sol invictus als Christ-Sonne, Mosaik aus der Nekropole unter der Peterskirche in Rom, 3.Jh.n.Chr

Belegt ist auch, dass die Römer am 25.Dezember des Jahres 274 erstmals auf Erlass des Kaisers Aurelian den Geburtstag des Sonnengottes feierten, was den Grundstein für das spätere Weihnachtsfest gelegt haben dürfte. Aurelian wollte die Glaubenseinheit innerhalb des Reichs fördern und unterstützte die Ausbreitung des Sol Invictus Kults, als dessen Günstling er sich feiern ließ. Die alten römischen Götter verloren derweil an Bedeutung.

So kam es, dass nicht nur die römischen Heiden, sondern auch frühe Christen Jesus als den unbesiegbaren Sonnengott assoziiert haben, wie es auch sehr eindrücklich auf einem Deckenmosaik aus dem 3.Jahrhundert n.Chr. zu sehen ist. Nicht das Kind in der Krippe wird hier dargestellt, sondern Christus als Sonnengott, der von aufbäumenden Pferden gezogen in einem Wagen über den Himmel fegt und wieder Licht in die Welt bringt. Weder Palmen noch Tannenbäume sind im Hintergrund zu sehen, sondern die Weinreben des Dionysos, die zum Wein Christi werden. Christus wird hier mit seinem Strahlenkranz als die „Sonne der Gerechtigkeit“ dargestellt (s.Bibel, Buch Maleachi).

Der römische Jupiter wird übrigens bei den Römern auch als invictus, als unbesiegbar tituliert und war der Oberste aller Götter. Von den alten Astrologen wurde der Planet als „das große Glück“ bezeichnet. In diesem Sinne dürfen wir mit den Unbesiegbaren auf ein glückliches und friedvolles 2024 hoffen.

Quelle: Wikipedia

Ziegen unter Schäfchenwolken

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Wo hört die Wahrheit auf, wo fängt das Märchen an?

Hoch oben am südlichen Rande des Schönbuchs liegt im Gäu eine Landschaft wie aus dem Paradiesgarten. Wo Ziegen unter Schäfchenwolken weiden, blühen im Frühjahr Kirsch, – Apfel- und Zwetschgenbäume soweit das Auge reicht.  Vögel tirilieren in den Lüften und manch scheues Reh wagt sich in der Dämmerung aus dem Wald und lässt den Blick über das Ammertal schweifen.
Vor einigen hundert Jahren haben in einem Dörflein namens Mönchberg fleißige schwäbische Mönche Wein angebaut, da, wo jetzt die Streuobstbäume am Hang in Blüte stehen. Und weil der Wein von hier so schmackhaft war, ging sein Ruf sogar bis hinauf in den Norden des Landes und wurde dort gerne getrunken.

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In dieser Landschaft wie aus der Zeit gefallen, wähnen sich aufmerksame Wandersleute manchmal in der Grimmschen Märchenwelt:

In jener Zeit also, als die Mönche in Mönchberg noch Wein kultivierten, machte sich an einem Tag im sprießenden Frühjahr ein Mädchen auf den Weg in den Wald. Es trug über seinem Arm ein Körbchen mit schwäbischem Hefezopf und dem fruchtigen Wein dieser Gegend. Das arme Kind hatte seine Eltern früh verloren und wollte nach langer Zeit wieder einmal die gute Großmutter in ihrer Hütte im Buchenwald besuchen. Man muss nämlich wissen, zu jener Zeit wütete die Pest in allen Landen und die Großmutter, eine weise und heilkundige Frau, hatte sich schon lange in den Wald zurückgezogen, um aus Kräutern, Blüten und Beeren Arzneien herzustellen.

So ging das Mädchen dahin und machte kurz vor dem Wald Rast, um ein paar Blumen auf der Wiese zu pflücken. Als es so viel zusammen hatte, dass es keine mehr tragen konnte, naschte es ein bisschen vom Kuchen und probierte vom himmlischen Tropfen. Dann fiel ihm die Großmutter wieder ein, und es machte sich leichten Fußes auf den Weg zu ihr.

Liebe Leserin, lieber Leser, wie würdest du das Märchen weiterschreiben?

Laura Vicente Antunes hat in der interkulturellen Schreibwerkstatt Herrenberg diese Fortsetzung geschrieben:

Alsbald traf es am sprudelnden Bach auf den Bäckersburschen, einen kräftigen Jungen von sonnigem Gemüt und immerzu leuchtenden Augen. „Heda, Mädchen, wohin des Weges?“, rief er ihm zu. Das Mädchen verließ den ursprünglichen Pfad und eilte zu ihm hin, denn es mochte den Bäckersburschen gar gern. „Ich besuche die Großmutter und bringe ihr Hefezopf und Wein“, antwortete es. „Wie glücklich sie sich schätzen kann, dass sie so eine eifrige Enkelin hat. Bist du gewillt, mir ein paar Minuten deiner kostbaren Zeit zu opfern und mir beim Fischen Gesellschaft zu leisten?“

„Ich würde ja gerne, aber ich muss weiter zur Großmutter. Sie arbeitet unermüdlich, um die Pest aufzuhalten und die Kranken zu heilen und ich will ihr ein kleines Geschenk machen.“ Der Bäckersbursche nickte, dann hob er den Stock, den er zu einer Art Speer geschnitzt hatte, blickte konzentriert ins Wasser, stieß zu und schon hatte er einen schönen, fetten Fisch gefangen. „Bring den deiner Großmutter. Und bestell ihr recht herzliche Grüße von mir.“ Das Mädchen bedankte sich, nahm den Fisch und legte ihn zu den anderen Speisen in den Korb. Dann verabschiedete es sich von dem Bäckersburschen mit dem Versprechen, auf dem Rückweg wieder bei ihm vorbeizuschauen.

Bald darauf erreichte das Mädchen schließlich die Hütte seiner Großmutter. Frohen Mutes klopfte es an und nach einiger Zeit erschien das runzelige Gesicht einer alten Frau am Fenster. „Großmutter, ich bin’s!“, sagte das Mädchen. Ein Strahlen überzog das Gesicht der Alten und sie öffnete rasch die Tür, um ihr geliebtes Enkelkind in die Stube zu lassen. Das Mädchen stellte den Korb auf den Tisch und wurde dabei einer Vielzahl von kleinen Töpfen und Schalen gewahr, die allesamt mit einer bitter riechenden Salbe gefüllt waren. „Ist das die Medizin, die Kranke heilen kann?“, fragte es. Die Großmutter nickte. „Ja, das ist sie. Doch zeig, was hast du in deinem Korb?“ Und das Mädchen holte all die guten Sachen heraus, die es der Großmutter gebracht hatte. Sogleich deckte die Großmutter den Tisch und sie taten sich an den leckeren Speisen gütlich. „Mädchen, sag, woher ist der Fisch? Er ist so prall und rund“, sagte die Großmutter mit Erstaunen. „Der Bäckersbursche hat ihn gefangen. Ich soll dir recht herzliche Grüße bestellen.“ „Ja, mei, ihm sei’s gedankt. Ein wahres Prachtexemplar.“ Das Mädchen blieb den ganzen Tag bei der Großmutter und kehrte erst heim, als die Sonne bereits hinter den Bergen versank.

Eines Tages erreichte die Pest auch das Dorf des Mädchens. Der Bäckersbursche lag ebenfalls krank darnieder und so wurde das Mädchen erneut zur Großmutter geschickt, Medizin zu holen. Das Mädchen, das Tage um Tage an seinem Bett verweilt hatte, gab ihm einen Kuss auf die mit Beulen übersäte Stirn und machte sich auf zur Großmutter. Als es den Bach erreichte, da es Stunden voller Frohsinn mit ihm verbracht hatte, wurde sein Herz schwer und Sehnsucht trübte seine Sinne. Das Rauschen des Wassers klang nun nicht mehr fröhlich, sondern gleichmütig und das kalte Nass war nicht länger erfrischend, sondern lähmend. Rasch eilte es fort, der Hütte der Großmutter entgegen. Es klopfte an die Türe und als diese geöffnet wurde, warf es sich in die schützenden Arme seiner Großmutter. Diese zog das weinende Mädchen an sich, beruhigte es und hieß es einen Tee trinken. „Der beruhigt die Nerven“, sagte sie und drückte ihrer Enkelin eine Tasse heißen Tee in die Hand. Nachdem das Mädchen davon getrunken hatte, erzählte es von der schlimmen Lage in seinem Dorf und dass es gekommen sei, um Medizin zu holen.

Die Großmutter nickte und begann, einige Fläschchen mit Salben einzupacken. Dann blickte sie auf das Mädchen hinunter, legte die Hände auf seine Schultern und sagte: „Ich habe meine Medizin mit Fischöl verfeinert. Das verstärkt die Wirksamkeit. Der Bäckersbursche hat uns ein wahres Geschenk gemacht.“ „Heißt das, er wird schnell wieder gesund?“, fragte das Mädchen und Hoffnung keimte in seinem Herzen. Die Großmutter lächelte gütig und nickte. „Jetzt bring die Medizin zu den Leuten im Dorf, mein tapferes Mädchen. Sie werden sie nötig haben.“ Und das Mädchen gehorchte und brachte die Medizin zu den Leuten. Zwei weitere Tage verbrachte es am Bett des Bäckersburschen und hielt seine Hand, bis schließlich die Beulen auf seiner Stirn zurückgingen und das Fieber sank. Er schlug die Augen auf, erblickte das Mädchen und sagte seinen Namen.

Da hüpfte das Herz des Mädchens voller Freude und es schloss den Freund in die Arme. Auch die anderen Bewohner des Dorfes wurden geheilt und als sie erfuhren, wem sie ihre Heilung zu verdanken hatten, feierten sie ein großes Fest für das Mädchen und den Bäckersjungen. Die beiden Kinder und die Großmutter aber kürten sie zu Ehreneinwohnern.

Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute….

Wiese

Thermenfreuden unter Tannen

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Therme Bad Teinach Januar 2020

Für mich gibt es nichts Schöneres, als im neuen Jahr in das heilende Wasser einer Schwarzwaldtherme einzutauchen und dabei draußen die frische Tannenluft zu genießen. Baden-Württemberg, so war jetzt auf der CMT, der weltweit größten Touristikmesse in Stuttgart zu hören, ist das Bäderland Nummer eins.

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Sommeridylle in Kloster Kirchberg

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Pfingsten in Kloster Kirchberg (Foto: Ursula Kuttler-Merz)

Pfingsten. Blaue und gelbe Lilien, die selbstbewusst und majestätisch die Ruhe des Ortes unterstreichen: In der Anlage des Kloster Kirchberg sind es die blauen und dunkel violetten, an den Weihern unterhalb der Klosteranlage malen die gelben Wasserlilien eine Sommeridylle. Zu hören ist nur das Zirpen der Grillen und Quaken der Frösche. Schöne Rundwege gibt es hier, zwischen Alb und Schwarzwald, und nicht weit am Horizont thront erhaben das alte Preussen-Schloss Hohenzollern, das die Kulisse der Landschaft bestimmt.

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Carpe diem in villa rustica

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Blick aus der Porticushalle im Hauptgebäude der Villa Rustica

Unweit der imposanten Burg Hohenzollern, Stammhaus des preussischen Königs- und deutschen Kaiserhauses, gibt es einen anderen sehenswerten geschichtsträchtigen Ort, die Villa Rustica von Hechingen-Stein. Es ist ein römisches Freilichtmuseum aus dem 1. bis 3. Jahrhundert n.Chr., das in den 80er Jahren freigelegt wurde.

Mein Vormittag dort – unter fachkundiger Führung – war ein inspirierender Ausflug in die Geschichte Süddeutschlands, die vor knapp 2000 Jahren in der damaligen Provinz Raetia von den Römern geschrieben wurde. Sumelocenna, heute Rottenburg, ungefähr 15 Kilometer von der Villa Rustica, dem römischen Landgut entfernt, war damals ein wichtiges Verwaltungszentrum Roms und wurde ebenfalls erst vor wenigen Jahrzehnten beim Bau eines Parkhauses entdeckt und freigelegt.

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Der Heilige Bezirk der römischen Gutsanlage bei Hechingen-Stein

Dass diese Gutsanlage etwas Besonderes war, lässt der rekonstruierte Tempelbezirk ahnen, wo in zehn Kapellen unterschiedlichen Göttern gehuldigt wurde. Hier durften nicht nur die Bewohnerinnen und Bewohner der Villa Rustica Diana und Concordia, Apollo und Jupiter, sondern auch vorbeiziehende Reisende und Händler beim Gott Mercurius um Beistand bitten.

Was profanere Verrichtungen betrifft, so wurden diese unter dem Motto „Pecunia non olet- Geld stinkt nicht“ öffentlich bei einem freundlichen Salve und anschließenden Schwätzchen getätigt.

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Pecunia non olet (Geld stinkt nicht) war das Motto der kostenpflichtigen Toilettenanlage

Die Römer bauten Straßen und Städte, Badeanlagen und Befestigungen und bauten ein Verwaltungswesen auf, das seinesgleichen sucht – bis aus dem Norden nach gut 200 Jahren ein Stamm der Germanen, die Alamannen, einfiel und alles in Schutt und Asche legte. Ich wandere im Geist zurück in diese Zeit und werde nachdenklich: Europa – ein einziger Schmelztiegel von Völkern und Kulturen, die sich gegenseitig befruchtet, aber auch zerstört haben. Das kulturelle Erbe der alten Römer wirkt nach – darauf ein Prosit beim schmackhaften Lieblingswein von Kaiser Augustus auf der Panorama-Terasse des Museums.

Mulsum
Auf der Terasse wird der Römerwein Mulsum angeboten

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