Carpe diem in villa rustica

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Blick aus der Porticushalle im Hauptgebäude der Villa Rustica

Unweit der imposanten Burg Hohenzollern, Stammhaus des preussischen Königs- und deutschen Kaiserhauses, gibt es einen anderen sehenswerten geschichtsträchtigen Ort, die Villa Rustica von Hechingen-Stein. Es ist ein römisches Freilichtmuseum aus dem 1. bis 3. Jahrhundert n.Chr., das in den 80er Jahren freigelegt wurde.

Mein Vormittag dort – unter fachkundiger Führung – war ein inspirierender Ausflug in die Geschichte Süddeutschlands, die vor knapp 2000 Jahren in der damaligen Provinz Raetia von den Römern geschrieben wurde. Sumelocenna, heute Rottenburg, ungefähr 15 Kilometer von der Villa Rustica, dem römischen Landgut entfernt, war damals ein wichtiges Verwaltungszentrum Roms und wurde ebenfalls erst vor wenigen Jahrzehnten beim Bau eines Parkhauses entdeckt und freigelegt.

Tempelbezirk
Der Heilige Bezirk der römischen Gutsanlage bei Hechingen-Stein

Dass diese Gutsanlage etwas Besonderes war, lässt der rekonstruierte Tempelbezirk ahnen, wo in zehn Kapellen unterschiedlichen Göttern gehuldigt wurde. Hier durften nicht nur die Bewohnerinnen und Bewohner der Villa Rustica Diana und Concordia, Apollo und Jupiter, sondern auch vorbeiziehende Reisende und Händler beim Gott Mercurius um Beistand bitten.

Was profanere Verrichtungen betrifft, so wurden diese unter dem Motto „Pecunia non olet- Geld stinkt nicht“ öffentlich bei einem freundlichen Salve und anschließenden Schwätzchen getätigt.

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Pecunia non olet (Geld stinkt nicht) war das Motto der kostenpflichtigen Toilettenanlage

Die Römer bauten Straßen und Städte, Badeanlagen und Befestigungen und bauten ein Verwaltungswesen auf, das seinesgleichen sucht – bis aus dem Norden nach gut 200 Jahren ein Stamm der Germanen, die Alamannen, einfiel und alles in Schutt und Asche legte. Ich wandere im Geist zurück in diese Zeit und werde nachdenklich: Europa – ein einziger Schmelztiegel von Völkern und Kulturen, die sich gegenseitig befruchtet, aber auch zerstört haben. Das kulturelle Erbe der alten Römer wirkt nach – darauf ein Prosit beim schmackhaften Lieblingswein von Kaiser Augustus auf der Panorama-Terasse des Museums.

Mulsum
Auf der Terasse wird der Römerwein Mulsum angeboten

Der folgende Text ist http://www.villa-rustica.de entnommen:

Das Römische Freilichtmuseum Hechingen-Stein

Unweit der Burg Hohenzollern liegt einer der interessantesten römischen Fundplätze Süddeutschlands. Unter der Waldoberfläche verborgen liegt eine große Gutsanlage, von der bis zum heutigen Tag das Haupt- und Badegebäude, der Heilige Bezirk, ein Mühlengebäude, ein Speicherbau, die westliche Hofmauer mit Eingangsportal, eine Schmiede, ein weiteres Wohngebäude und der nordwestliche Eckturm ausgegraben sind. Die Ausgrabungen dauern an, es kann noch mit vielen Überraschungen gerechnet werden. 

Als 1971 in einem Wald nordwestlich der Hechinger Teilgemeinde Stein vom dortigen Bürgermeister, Gerd Schollian, auf der Suche nach einem abgegangenen mittelalterlichen Weiler Mauerreste freigelegt wurden, konnte noch niemand ahnen, welch große und gut erhaltene römische Gutsanlage hier fast 1700 Jahre unentdeckt unter dem Waldboden gelegen hatte. Zwischen 1978 und 1981 wurde das Haupt- und Badegebäude dieser Villa rustica durch das Landesdenkmalamt Baden-Württemberg untersucht.

Die bei den Ausgrabungen freigelegten Mauern waren zum großen Teil vorzüglich mit einer Höhe von über 2 m hoch erhalten. Außerdem zeigte sich, dass das Hauptgebäude einen außergewöhnlich großen und aufwändig gestalteten Grundriss besaß. Dabei ließen sich verschiedene  Bauphasen unterscheiden.

Der schon zuvor gegründete Förderverein trat daher an das Landesdenkmalamt mit der Bitte heran, dieses Denkmal der provinzialrömischen Geschichte zu erhalten. Langjährige Planungen führten schließlich zu dem Entschluss, den am schlechtesten erhaltenen Teil des Hauptgebäudes in originalem Maßstab zu rekonstruieren. Dies bot die Möglichkeit an diesem Platz ein begehbares Modell im Maßstab 1 zu1 zu errichten, und dieses als Museum mit dem originalen Fundmaterial einzurichten.

Das teilrekonstruierte Hauptgebäude ist heute noch das Herzstück des Museums. Hier kann sich der Besucher anhand von Text- und Bildtafeln, einer Tonbildschau, nachgebauten Räumen und natürlich den originalen Funden über die römische Geschichte Südwestdeutschlands, die Geschichte der Gutsanlage selbst und über eine Vielzahl verschiedener Themenbereiche informieren.

Neben Gegenständen aus Keramik, Metall und Glas sind auch einige Sonderfunde ausgestellt, wie ein bronzener Kerzenständer, dessen Beine als Löwenleiber ausgebildet sind, oder der Kopf einer lebensgroßen Venusstatue aus Sandstein. Zusammen mit voll eingerichteten Räumen, die denen der römischen Zeit nachempfunden sind, wird so dem Besucher ein anschauliches Bild dieser längst vergangenen Zeit vermittelt.

Bei den Räumen, die in ihrem Ausgrabungszustand konserviert sind, wird die ehemalige Funktion anhand von Schautafeln erklärt. So fanden sich zum Beispiel mehrere Herdstellen in Küchenräumen und mehrere, mit einer Unterbodenheizung versehene Räume. Im Badehaus, direkt neben dem Hauptgebäude gelegen, finden sich Informationen zum römischen Badewesen. Zusätzlich werden in einem Garten römische Nutz- und Heilpflanzen angebaut.

1992, im Jahr nach der Eröffnung des Museums wurden die Ausgrabungstätigkeiten wieder aufgenommen. Rund 150 m vom Hauptgebäude entfernt liegt der Heilige Bezirk der Gutsanlage auf einem Sporn im Talgrund gelegen. Es handelt sich dabei um einen quadratisch ummauerten Bereich, in dem die Reste von 10 kleinen Kapellen, so genannter Ädikulen ausgegraben wurden. Dort fanden sich auch zahlreiche Fragmente von Götterstatuen. Eine der Kapellen wurde nach antiken Vorbildern wieder aufgebaut.

Daneben wurde ein großes Ökonomiegebäude ausgegraben. Im Inneren fanden sich Getreidemahlsteine und Darren zum Trocknen des Getreides.

Nach Norden hin wurde die westliche Hofmauer mit dem Eingangsportal ausgegraben und rekonstruiert. Zusätzlich fanden sich noch eine Schmiede, auch diese wurde rekonstruiert, ein weiteres Wohnhaus und ganz im Norden ein Eckturm. Auch dieser ist wieder aufgebaut und eingerichtet.

Das Zusammenwirken von originalem Befund, Rekonstruktion und wissenschaftlich fundierter Information liefert dem Besucher ein lebhaftes Bild römischer Geschichte. 

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