Noli me tangere auf dem Skulpturenpfad

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Stiftskirche Herrenberg – Blick vom Skulpturenpfad

Was tun, wenn die Türen von Ausstellungen geschlossen sind und auch andere kulturelle Inputs in weiter Ferne?
Beim Spazierengehen habe ich mir deshalb wieder mal den Jerg Ratgeb Skulpturenpfad vorgenommen, der vom Herrenberger Bahnhof bis zum Schlossberg hochführt, ein Freiluftmuseum also. Wie schön, dass Kunst auf diese Weise schweren Zeiten trotzt.
Jerg Ratgeb war ein Maler und wichtiger Anführer der aufständischen Bauern in Süddeutschland und hat zu Zeiten Albrecht Dürers gelebt. 1526 wurde er, gut vierzigjährig, durch die damals übliche Foltermethode der Vierteilung hingerichtet.


Eines seiner Meisterwerke ist der Herrenberger Altar, der bis vor ungefähr 100 Jahren in der Stiftskirche hing. Heute nimmt er in der Staatsgalerie Stuttgart einen ganzen Raum ein und zählt zu den bedeutendsten Arbeiten der Kunst am Anfang des 16. Jahrhunderts.
Zum Andenken an Jerg Ratgeb hat eine Herrenberger Bürgergruppe 2012 den Skulpturenpfad, der auch ein Lehrpfad ist, geplant und mit Hilfe der Stadt und vieler Sponsoren vor fünf Jahren umgesetzt. 25 Skulpturen bilden nun eine künstlerische Achse von überregionaler Bedeutung mit hochkarätigen Werken zeitgenössischer Künstlerinnen und Künstler.

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Lichtzeichen
Lichtzeichen, Keramik, LED, Linde Wallner
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Richtblock, Peter Römpert 2019

Nach Linde Wallners Lichtzeichen über einem Tor an der Stadtmauer ist es der Richtblock aus Eisen und Holz am Rande eines Osterglockenbeets, der mir ins Auge sticht. Er erinnert symbolhaft an Jerg Ratgebs Verurteilung und Hinrichtung – und auch daran, dass es immer noch Todesurteile und Folter gibt. Ein paar Meter weiter die Bronzeskulptur von Ratgebs Frau, auch sie musste Folter und Qual erleiden.

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Ratgebs Frau, Michaela A. Fischer 2013

Das in leuchtendem Rot gehaltene Kunstwerk aus Epoxidharz Noli me tangere weiter oben ist eine Art Mischwesen aus Pflanze und Mensch, das sich an der Stadtmauer in den Himmel reckt.

Zumindest bis vor kurzem war das meine Deutung. Da das lateinische Noli me tangere jedoch „Rühr mich nicht an“ heißt, muss ich nun unweigerlich auch an ein virales Ungeheuer denken. Vielleicht eine kleine Warnung auf meinem einsamen Museumsbesuch draußen im sprießenden Frühling, den das alles nicht schert. Aber eine durchaus inspirierende Warnung.

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Noli me tangere, Hans Bäurle, 2013

Quellen: http://www.skulpturenpfad-herrenberg.de, http://www.wikipedia.de

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